Dass wir noch einmal so mit Wildlife verwöhnt werden, haben wir ehrlich gesagt nicht mehr erwartet. Nein, die Weisskopfseeadler sind es leider nicht, die uns auf den letzten Drücker noch mit ihrer Präsenz überrascht haben. Die Sichtungen dieser prächtigen Könige der Luft bleiben auf dieser Reise leider sehr rar und flüchtig. Aber es gibt ja auch noch andere Tiere. Beim Parkplatz für unsere Mittagsrast wartet eine Herde Wapitis auf uns. Über 26 Exemplare der weltweit zweitgrössten Hirschart! Da es auch einen Platzhirsch und einige Mitbuhler dabei hat und die Hormone um diese Jahreszeit gerade in Wallung kommen, ist bei Aussteigen aus dem Camper Vorsicht geboten. Beim Bestaunen der Tiere sehen wir, dass ein Weibchen eine grosse Geschwulst auf der Brust hat.
Wir laufen zu einem Aussichtsturm, können das Ufer eines Meerarmes (Hood Canal) überblicken und sehen Robben, Eisvögel und Gänsegeier. Wir sind die einzigen Besucher und wollen gerade mit dem Mittagessen beginnen, da kommt ein Parkranger schnellen Schrittes auf uns zu. Er berichtet, dass ein Wapitiweibchen krank sei – ja, wir wissen welches – und sie es heute erlösen wollen. Wir versichern dem Ranger, dass wir sicher noch eine Stunde am Ufer bleiben und machen mit ihm ab, dass wir erst zum Camper zurückkehren, wenn die Schüsse gefallen sind. Wir dürfen also bleiben und hören später die Schüsse. Die anderen Tierarten haben sofort reagiert, mit Abflug oder lautem Rufen. Später kommt die Wapitiherde aus dem Wald ans Ufer – alle, bis auf eines. Sie scheinen aber soweit nicht verstört. Als die grossen Tiere den Wanderweg wieder frei geben, wollen wir uns auf den Rückweg machen. Da tauchen aber noch einmal drei jüngere Hirsche auf und blockieren erneut den Weg. Nach einigem zuwarten und zureden, lassen sie uns durch.
Unsere letzte Campingnacht verbringen wir am Ufer dieses Meerarmes. Und auch dort lebt es! Drei Seeotter sind fleissig am Fischen und beim Nachtessen sehen wir auf dem Bootssteg zwei Seehunde liegen. Das alles nur gerade 1 1/2 Autostunden von der Grossstadt Seattle entfernt!
Von all diesen Tiersichtungen sind es aber heute das kranke Wapiti und die Schüsse, die unseren Junior bis in den Schlaf hinein beschäftigen.
Und jetzt müssen wir unser Zuhause auf Rädern doch bereits wieder abgeben. Die Vermietung ist zufrieden mit unserer Reinigung und wir zahlen einzig den Preis für die Anzahl Laufstunden des Generators drauf. Diesen haben wir nur benötigt, um auf den Campings ohne Stromanschluss den Laptop laden zu können, was scheinbar total 14 Stunden benötigte – ups…
Ein freundlicher Uber-Taxifahrer bringt uns zum Hotel in Seattle. Wie gut, dass er sich in dieser Grossstadt auskennt und nicht wir fahren müssen. Unser Hotel hat einen Besitzerwechsel hinter sich. Gebucht haben wir es noch als “Hilton”, jetzt heisst es anders. Das Reisebüro hat uns vor einigen Wochen über den Wechsel informiert und uns versichert, die Buchung werde vom neuen Besitzer einfach übernommen. Beim Einchecken sind wir da aber nicht mehr so sicher. “Computer says no.” Nach einiger Zeit und mit Hilfe des Managers werden wir dann aber doch gefunden – vielleicht auf einem handgeschriebenen Zettel…
Seattle betrachten wir vom Riesenrad aus. Und was ist von dort wunderbar wolken- und nebellos zu sehen? Der Mount Rainier… Wir fahren mit dem Mono Rail (eine Art Eisenbahn über der Strasse mit nur einer Schiene) zur Space Needle, die viel kleiner ist wie erwartet. Aber wir sind auch nicht wegen dem Turm dort, sondern wegen dem grossen Spielplatz, der gleich daneben ist und von unserem Junior sehr mutig und sehr erfreut erkundet wird.
Morgen steigen wir in den Flieger Richtung Schweiz. Unser Sohn meint, er wäre gerne 10 Wochen mit dem Camper unterwegs gewesen. Das ist doch ein gutes Zeichen!
Also, wir sehen uns wieder, irgendwo, irgendwann in der Schweiz!
Resümee
Das werden wir vermissen:
- so viel Zeit als Familie zu haben
- putzige Eichhörnchen und Streifenhörnchen als treue Begleiter
- stundenlanges draussen sein
- unterwegs sein in ständig wechselnder Landschaft
- die leichte Aufregung und Anspannung, wenn man im Bärenland wandert
Das haben wir unterschätzt:
- wir haben auf den Campingplätzen kaum andere Kinder getroffen, mit denen unser Sohn hätte spielen können. Wir waren als Eltern viel mehr gefordert als gedacht, um da als Ersatzspieler mitzumachen.
- Kinder dürfen in den von uns besuchten Bundesstaaten nicht vorne im Auto sitzen. Der Junior sass ca. 2 Meter hinter uns, hatte von seiner Sitzhöhe aus keine gute Sicht nach draussen und der Camper war so laut, dass wir uns während der Fahrt anschreien mussten, wenn wir uns etwas sagen wollten. Die Fahrten waren so nicht wirklich ein Genuss.
Darauf freuen wir uns:
- den brummenden Kühlschrank nicht mehr 1 Meter neben dem Bett zu haben
- auf Brot, für das man seine Zähne braucht
- die Küche und die Vorräte nicht nach jeder Fahrt wieder neu einräumen zu müssen
- uns auf dem Bett strecken zu können
- weniger und kürzere Tankstopps
- ohne Bären-Pfeffer spazieren zu gehen
Anekdoten
- Begegnungen mit Schweizern und Deutschen können wir an einer Hand abzählen. Eine fand auf dem Parkplatz eines Einkaufszentrums statt. Wir kamen aus dem Laden und sahen, wie jemand wie wild an unserer Campertür hantiert und versucht, sie zu öffnen – wir wissen ja, dass das auch mit dem richtigen Schlüssel nicht so leicht ist. Mit dem falschen Schlüssel natürlich erst recht. Es war ihm sehr peinlich, dass er den falschen Wagen erwischt hatte und er zog mit rotem Kopf zu seinem Camper davon, der nicht einmal der gleiche Typ war. Fairerweise muss man sagen, dass wir ihn bereits bei der Camper-Abholstation gesehen haben und es unser beider erster Einkauf mit Jetlag war …
- Auf einem Camping war in den WC’s ein Zettel aufgehängt mit der Notiz, man solle doch bitte die Türen der Anlage schliessen. Diesmal nicht wegen der Stachelschweine wie in Alaska, sondern wegen der Fledermäuse, die es scheinbar lieben, sich sonst im Stillen Örtchen an die Decke zu hängen. Dann machen wir doch lieber die Tür zu.
- Food Waste wollen wir vermeiden. Es gibt hier einige Verpackungen, die dieses Vorhaben sehr erschweren. Wer erfindet Apfelmus in Flaschen? Oder Joghurtbecher, die unten viel breiter sind als oben?